Tag 10 : Sarbsko See -> Halbinsel Hel, Polen


kopfschütteln


Song des Tages: „Thin line“ Jurassic 5


 


Es gibt so Plätze, da verabschiede ich mich ausgesprochen schlecht. Und dieser hier am Sarbsko See ist einer, den ich extremst ungern verlasse! Hier stimmt einfach alles, hier könnte ich einfach mal bleiben - einfach, weil er perfekt ist. Aber „einrentnern“ ist nicht der Plan, ich will ja noch was sehen von der Welt! Also steuere ich die Halbinse Hel an, hier wollte ich eh hin und habe vom Nachbarn eine tolle Platzempfehlung für's äußerste Ende bekommen. 2,5 Stunden sagt das Navi und ich weiß, ich werde den ganzen Fahr-Tag für diese Strecke brauchen.

Auch hier, weit im Osten, sind die Strandzugänge immer noch mit Kiosken gesäumt, abschreckend genug für mich, um auf den Kaffee am Strand zu verzichten und durch (für mich langweilige) gediegene Dörfer zu fahren. Aber ich habe trotzdem das Gefühl „heim“ zu kommen: auf Hel empfangen mich die gleichen hohen Wälder, wie ich sie vom Baltikum kenne...

Der super Tipp erweist sich als super Graus: angrenzend zu einem Schrottplatz/ verfallenden Schuppen ist hier null Strand in Sicht und dafür eine einzige grässlich vergammelte Dauercamper-Wohnwagenburg. Schnell wieder weg!

Aber vorher will ich mir die Kneipe am Rande der Platzeinfahrt genauer ansehen und kann‘s echt nicht glauben: ein Sammelsurium an militärischen Ausrüstungsgegenständen, Puppen als Fallschirmspringer und Wachsoldaten, gepaart mit „Achtung, Sie betreten Militätgebiet“-Schildern, Uniformen, Mützen, Abzeichen, Gewehren... gekrönt von lautstarker Marschmusik und nebenan ein Stand, an dem man auf Pappkameraden schießen kann. Gerade betrete ich, vobei an der originalen Gulaschkanone, aus der hier das Essen serviert wird, den Kneipenraum, da fliegen sieben Überschallflugzeuge von Osten kommend direkt über uns hinweg. Ich gerate in leichte Panik und überlege mir reflexartig mit Gänsehaut und Herzklopfen eine Fluchtmöglichkeit, während die Besucher völlig entspannt ihre Suppe weiter löffeln... Ich finde es echt so schauderlich! Als der Spuk vorbei ist und wieder Ruhe herrscht (bzw. die Marschmusik dominiert), spreche ich Deutsche an, was sie von der Sache hier halten. Einer findet es ganz cool, dass die Polen so entspannt mit der historischen Vergangenheit umgehen, ein anderer lobt den „musealen Charakter“, ein dritter erzählt, dass er Kriegsbewältigung in Vietnam noch deutlich krasser gesehen hat. Alle sind sich einig, dass es hier, an diesem historischen Ort (hier wurden im 2. Weltkrieg harte Kämpfe ausgefochten und es wird auf der ganzen Halbinsel mit alten Bunkermuseen daran gedacht) richtig ist, sich an die Geschichte zu erinnern und dass eigentlich die ganze Welt ein viel entspannteres Verhältnis zu diesem Thema hat. Aber wir sind uns auch einig, dass es uns hier trotzdem irgendwie komisch vorkommt, wir wissen nur nicht, aus welchen Gründen wir so empfinden...

Ohne Erkenntnis und sehr nachdenklich fahre ich den Weg zurück und parke auf dem erstbesten (völlig überteuerten) recht grässlichen Campingplatz mit Strandzugang, um den Rest Sommersonne ganz friedlich im Sand zu genießen...