Deutschland -> Österreich -> über die Tauernautobahn -> über den Predilpass -> Slowenien -> an der Soca entlang -> Kroatien
-> über die Insel Cres -> per Fähre von Mali Losinj nach Zadar -> Montenegro -> Durmitor Nationalpark -> Albanien
-> Griechenland -> Igoumenitsa -> per Fähre nach Venedig -> Italien -> Südtirol -> Brenner -> Österreich -> Deutschland
Der Plan der Reise in diesem Jahr war, Neues zu sehen, zu entdecken, zu staunen und zu genießen. Ich wollte Landschaften in mich aufnehmen, Menschen kennenlernen, Stimmungen, Launen, Licht und Luft einfangen.... Es ist mir gelungen. Und Franz hat spitzenmäßig mitgemacht.
“Don’t ask what the world needs. Ask what makes you come alive, and go do it. Because
what the world needs is people who have come alive.” Howard Truman
"....Move Your Ass...!"
Es ist an der Zeit, wieder los zu fahren!
Franz hatte den Winter über eine tolle Wellness-Kur in Meister Reinhards Werkstatt (Danke Dir!). Neben Basics wie neuem TÜV, neuem Zahnriemen-Kühler-Simmerring und dem Deckelchen für die
Kühlerflüssigkeit ist endlich das leidige Elektrik-Problem gelöst!! D.h. ich hoffe sehr auf nie mehr wiederkehrende Startprobleme...
Jetzt steht Franz also frisch geputzt, beladen mit Essen, Wasser und meinem Boot vor der Türe und wartet auf den Start. Und ich freu mich drauf:
Raus aus dem Alltag, wieder was Neues sehen, frischen Wind um die Nase, weg vom Stillstand, in Bewegung sein - fahren, um wieder staunen zu können.
„...Du bist nicht Deine Schlüssel
und Du bist nicht Deine Schuhe,
Du bist nicht Dein Handy
und Du bist nicht Deine Ruhe.
Du bist nicht Dein Terminplan
und auch nicht Dein Hund
Du bist nicht Dein Gesicht,
Deine Augen, Dein Mund.
Du bist nicht Dein Job
und Du bist nicht Dein Haus
Du bist nicht Deine Triebe
und ich beat das aus.
Du bist nicht Dein Glaube
oder Freunde, die verschwinden:
Alles verloren,
um zu Dir selbst zu finden...“
Zwei Tage vor der Abreise (auf dem Weg zu um zu Meister Reinhards letztem Check) hat sich leider gezeigt, dass das Elektrik-Nerv-Problem leider doch nicht gelöst ist: von irgendwo im Kabelsalat
der Franz-Tiefen ziehen sich die Batterien leer und wieder mal ist Starthilfe nötig...
Trotzdem habe ich noch nie so entspannt gepackt, den Franz geputzt und die ganzen kleinen Vorbereitungen zu meiner Reise machen können. Wahrscheinlich war der Bus auch noch nie technisch auf so
gutem Gesamt-Zustand! Mal sehen - wann sich das nächste Problemchen zeigt.
Früh komme ich los, SchwestA begleitet mich wieder zum Dinzler und nach ausführlichem Ratsch und üppigem Geniesser-Frühstück „sause“ ich straight über die schnellstmögliche Strecke nach Slowenien
zum Campingplatz, an dem sich abends meine Paddler-Truppe treffen will. So bleibt mir Zeit, mich über die krass verfallene italienische Seite zu wundern, als auch die wunderschön üppige,
gepflegte slowenische Seite des Predil-Passes anzusehen und dabei wieder ausführlich sehr laute Musik zu hören und mitzugrölen... Herrlicher Start in die Reise.
"Life begins where the comfort zone ends."
steht auf einem Paddler-Shirt
"... it's like dancing in the sun
having trouble having fun
having anything you wish to come
then it finally smiles your way
and you have an easy day..."
Goldene Tage!
Genuss.
Genuss.
Genuss!!!!!!!
„...und keiner hat den Plan,
wohin wir fahrn
und trotzdem komm ich klar,
denn ich kenn meine Koordinaten!
Wo willst Du hin,
wenn das Navi nicht mehr kann,
nicht mehr kann?
Wo willst Du hin,
wenn kein anderer mehr weiß, wo lang?
Hey! Ich hab die Koordinaten im Kopf!...“
Nach der herzlichen Verabschiedung von den Paddler-Spezis und dem tollen Lehrer Ralph (Danke!) kurve ich mit dem steten Blick auf den Bach an „meiner“ Soca entlang, bis sie sich schlussendlich zu
einem recht breiten und bräsigen Fluss verwandelt, aber immer noch diese unwirkliche Südsee-Farbe hat, die mich so unglaublich bannt. Slowenien ist mein Land: die wunderbaren, satten Hügel,
dieser viele Platz, dieses Gepflegte, Geschätzte, Zufriedene... Ich kann gar nicht erklären, warum mich diese Landschaft so beruhigt.
Eine Stunde kostet mich der Stau vor der kroatischen Grenze: Warum eigentlich wird bei der Ausreise noch so getan, als lese man die Pässe? Verstehe ich nicht.
Kurz drauf erreiche ich jedenfalls das versprochene kühle Bier auf dem Balkon mit Meerblick und verbringe einen feinen Ratsch-Abend mit Freunden. Die Nacht verbringe ich mit Franz einfach auf dem
Dorf-Parkplatz.
Am nächsten Morgen grüble ich beim Spaziergang im Hafen über die heikle, so schwierige Frage: "Wo willst Du hin?" Schwierig. Es böte sich die Gelegenheit, den easy Weg mit Wohlfühl-Garantie zu
nehmen, wenn ich mich mit Freunden und SchwestA in Italien träfe, dort ein paar Tage feiere und dann die Fähre von Ancona nach Griechenland (zu meinem Paradies-Platz) nehmen würde. Sehr schöne
Option. Aber....
...aber Leichtes, Gewohntes und Bekanntes zu erleben ist eben nicht der eigentliche Plan dieser Fahrt... Ich will/ muss Neues sehen, erleben, entdecken - eben raus aus der Komfortzone...
Also: nach dem herrlich verbummelten, wahnsinnig tiefenentspannten Tag auf der Terrasse, am Strand, in der Kneipe werde ich mich weiter Richtung Süden begeben.
Allein und auf neuen Wegen.
„Eine Flow-Erfahrung tritt auf, wenn jemand vollkommen in einer Tätigkeit aufgeht und dabei nicht nur die Zeit, sondern auch all seine Sorgen vergisst.
Je stärker der Flow, desto weniger ist man sich seiner selbst bewusst. Man verschmilzt mit dem, was man tut.“
Artikel in der Zeitschrift „Flow“
über den Psychologen Mihály Csikszentmihályi
Flottes Frühstück im Franz, denn es muss ja keiner merken, dass ich zum zweiten Mal mitten im Dorf übernachtet habe. Richtig legal ist das nicht. Also bin ich um 8 unterwegs auf der Suche nach
einem gemütlichen Morgen-Kaffee und relativ schnell entscheide ich, dass ich raus aus Istrien muss: für mein (Fahr-)Vergnügen brauche ich eine Strecke, auf der ich mich am Meer orientiere und es
ständig im Blick halten kann. Istrien ist mir viel zu verbaut, nervt mich mit den völlig überdimensionierten „Lidl“-Werbetafeln und hat dafür noch nicht mal ordentliche Strandbars (ich bin echt
so sehr Griechenland-verwöhnt...). Natürlich fahre ich auf Kaffee-Pirsch immer respektlos direkt rein in den Stadtkern, aber anhalten ist nicht möglich: kein einziger Parkplatz kombiniert mit
keinem ansprechenden Café. Also einfach weg von der Küste, quer über die Halbinsel und - nachdem sich die Route mit Fähranleger-Schildern selbst erklärt - sehr entspannt über sanfte, grüne Hügel
zum Meer, zum ersten Kaffee mit Meeresduft! Ich freu mich.
Auf die nächste Fähre gehüpft. Die knappe halbe Stunde Überfahrt zur Insel Cres ist der gefühlte Startschuss zu meiner „richtigen“ Reise: Meeres-Brise, Luft, Sonne, Schiffsdiesel - und das
Wahnsinns-Gefühl, wieder im „Reise-Flow“ zu sein. Offenbar brauche ich diesen Kick des Übers-Wasser-Bewegens, um mich wirklich reisend zu fühlen.
Auf der Insel spuckt die Fähre alle Fahrzuge aus, die sich langsam auf der einzigen Straße entlang des Inselkamms verteilen. Es ist ein traumhafter Höhenweg mit grandiosem Blick: der Fahrgenuss
pur, den ich ausführlich und laaangsam mit chilliger Musik auskoste. Auf einer der 12% Steigungen fällt der Tankanzeiger auf unter Null: Mist, ich hab echt nicht daran gedacht, dass Tankstellen
auf der Insel sicher Mangelware sind! Während ich den Reservekanister einfülle, ärgere ich mich über meinen Anfängerfehler, aber vier nette Motorrad-Italiener muntern mich mit lustigen Sprüchen
über Franz wieder auf. Naja, 5 Liter werden schon reichen... zur Not erbettle ich mir irgendwo einen vollen Kanister von gecheckteren Leuten - alles entspannt.
Samir´s Campingplatz-Tip (Danke!) lässt mich vertrauensvoll und kompromisslos Osor ansteuern und damit einen Volltreffer landen: relativ wild, abseits am Rand, direkt am Wasser. Herz-Glück!
Den Abend verbringe ich im angrenzenden Dörflein, deren Einwohner ihren Lieblings-Heiligen mit Kirchturmglocken- und Akkordeon-Konzert feiern. Ich bin gefangen von dem Schwung und der Kraft
dieser Musik und den vielen Singenden, die im Kreis stehen, Bier in der Hand halten und absolute Geborgenheit ausstrahlen. Lebenslust.
Ein Superplatz! So entscheide ich spontan, mir einen ganzen Tag des Stillstands zu nehmen. Ist ja nicht so, dass ich nichts zu tun hätte: kaffeetrinken, denken, lesen, schreiben, kaffeetrinken,
aufs Wasser gucken, denken, weintrinken... Es ist ein quasi perfekter Platz: erste Reihe am Wasser, viel Raum um mich und ein geborgenes Gefühl.
Mein gewohnheitsmäßig frühes Aufstehen wird täglich durch eine Zeit totaler Stille belohnt - nur heute währt die Freude kurz, denn die am Tag zuvor angereiste italienische Familie etwa 50 Meter
hinter mir plärrt sich (oder allen anderen?) schon um 7 die (kompressorgestützte!) Aufbauanleitung ihres Aufblasboots zu... und löst meinen sofortigen Fluchtreflex aus.
Ich werfe den Plan, über Krk aufs zurück Festland zu fahren über den Haufen, als ich höre, dass es eine Fähre vom Ende dieser Insel nach Zadar gibt. Wunderbar: das erspart mir die kroatische
Nord-Küste (mag ich nicht) und schenkt mir eine weitere kleine Seereise. Allerdings erfahre ich in Mali Losinj, dass die Fähre erst übermorgen Nachmittag fährt - und als ich bei einem
Kaffee auf der Promenade über den weiteren Plan nachdenke, kassiere ich nen fetten Strafzettel. Ärgert mich und mein knappes Budget, aber mei...
Die Idee der Fährfahrt reizt mich mehr, als die unschöne Küstenstrecke und trotz der für mich schwierigen Aussicht, einen ganzen Tag „gefangen“ zu sein, kaufe ich das Ticket (letzter Platz an
Bord, hurra), mache mich auf die Suche nach einem guten Platz (nehme natürlich nicht den vorherigen: das wäre zu einfach!) und finde ihn ganz am Ende eines superschönen Sträßleins im dichten
Pinienwald. Erste Reihe: Ehrensache.
„Nur die Angst trennt uns vom besten Leben“
Rio Reiser
Was für ein herrlicher, intensiver Duft dieses Pinienwaldes! Grillen zirpen, Bäume mauscheln, superklartürkises Wasser murmelt: ein schöner Platz. (Leider etwas abgeschwächt durch fiese Mücken
und ziemlicher Schräglage von Franz, was das Schlafen nervig unkommod macht.)
Den erzwungenen St(r)andtag nutze ich mit viel Arbeit, um mein regelmäßig auftretendes schlechtes Gewissen (dass es mir so gut geht!) wenigstens ein wenig zu kompensieren. Geht ausgesprochen gut,
im lauschigen Schatten!
Faulsein und nachdenken. Paddeln und Schnorcheln. Mücken klatschen und Lesen: Turbo-Chillen.
Und dann mit den beiden Nachbar-Familien einen sehr netten, gemütlichen, langen Abend am Grill verbringen, der mit den beiden Männern in einem intensiven Gespräch mündet. Wir diskutieren über
Verblendungen, Rettungsanker, Missbrauch und Hilfesuche durch Religion/ Gott/ das Universum, über Schicksal/ Glück/ Weisung, über die Entwicklung/ Zukunft/ selbstverschuldete Ausrottung der
Menschheit - und über den Sinn des Lebens... ein sehr, sehr schöner Abend!
Und ich bin immer und immer wieder baff, dass alle Menschen ihre Packerl tragen. (Fiese, oft vielviel krassere als das meine kleine!) Das relativiert und besänftigt mich so sehr, macht mich
demütiger.
Nach der frühen Paddelrunde spricht mich ein netter Rentner an, der sehr ungläubig fragt, ob ich wirklich ganz allein unterwegs bin (als ob er befürchtet, dass ich meinen Reisegefährten im Auto
einschliesse)? Und ob ich dabei nicht einen Mann vermisse? Die Reaktion auf mein Alleinsein ist immer ähnlich: erst sehr ungläubiges Nachfragen (Wirklich ganz allein? Für so lange Zeit? Und schon
zum dritten Mal?) dann in der Regel der Ausruf: Toll, echt, aber das wär nichts für mich! Auf meine Frage nach dem Hindernis, alleine zu reisen, kommt von den Männer fast unisono: weil ich
jemanden zum reden brauche und die Frauen antworten: und weil ich es mir alleine nicht zutraue.
Gemeinsames Reisen ist superschön! (Und Familienreisen sowieso!) Aber warum gibt es tatsächlich so wenige Alleinreisende? (Ich habe in all den Wochen vielleicht 5 Männer gesehen.) Muss man
unterwegs reden, um das Erlebte zu teilen und sich damit bewusst zu machen, dass es wirklich passiert ist? Oder braucht man den gewohnten Zustand, dass jemand neben einem sitzt und mir zuhört/
mich volltextet? Oder muss man reden, weil es sonst zu still/ zu viel Zeit für ein Selbstgespräch wäre?
Und was genau kann frau sich nicht zutrauen? Die „Hausarbeit“ (waschen, spülen, räumen) auf Reisen alleine zu meistern? Alleine zu tanken/ den Weg zu finden/ Strecken zu planen..? Oder einfach
nur überall alleine aufzutreten und damit aufzufallen?
Ich falle sicher auf, auch wenn ich oft versuche, mich unsichtbar zu machen, indem ich Blickkontakt vermeide... (wie Kinder, die sich mit zugehaltenen Augen verstecken...) aber wie ich wirke, ist
mir definitiv egal! (Ehe-)Frauen reagieren oft mit eher biestigen Blicken auf mich. Männer sprechen mich häufiger an, wobei ich dann ein wenig den Eindruck habe, dass sie mich (in ihrem Mitleid)
beschützen/ aufmuntern möchten...
Aber warum bekommt die Allreinreisende erstmal Mitleid? Ein wenig kann ich es sogar nachvollziehen, weil es mich (ich gestehe!! - und ich muss dabei sehr über mich selbst lachen!) auch
reflexartig überkommt, wenn ich den „Verdacht“ habe, dass da eine Alleinreisende sitzt (was sich noch nie bestätigt hat) - aber ich verstehe nicht: welche Gründe sprechen gegen das lange,
selbstbestimmte (!) Alleinereisen?
Den heutigen Tag verbummle ich im Schneckentempo: langsaaam packen, laaaangsam die schöne Strecke durch den Urwald zurück schleichen, mich laaangsam mit Umwegen an Mali Losinj rantasten, dort
einen laaangsamen Cappuchino auf der Promenade trinken, in die Fährschlange einreihen (es ist sooo heiß: im Franz steigt das Thermometer auf 45 Grad!), raufgehüpft und mit lesen, schreiben,
gucken (und mich verbotenerweise nen Stündchen im Franz schlummern legen) die 6 Stunden Fahrzeit verbringen.
Die Fahrt dauert länger als ich vermutet hatte (nachgefragt habe ich schlauerweise nicht...) und wir legen erst um 23 Uhr in Zadar an. Ich mag die Dunkelheit einfach nicht besonders - und noch
weniger, wenn ich dann noch keine „Heimat“ habe und definitiv nicht weiß, wo ich hin soll/ kann. Aber Glück gehabt: Wohnwagenschwaben neben mir reden über einen möglichen Stellplatz am Yachthafen
- diese Info nehm ich gleich mal als Ziel. Nach Gefühl (der angesprochene Taxler konnte mir jedenfalls nicht helfen, aber er empfahl mir, einfach irgendwo stehen zu bleiben: Zadar sei sicher!)
finde ich auch relativ rasch die beschriebene Stelle - die Checkerschwaben sind natürlich schon da. Auf dem Plateau mit Blick über die Marina stehen noch zwei bewohnte Camper, so empfinde diesen
Platz als sehr gemütlich und fühle mich geborgen: gute Nacht!
„...ich verlor den Verstand
an einem Sommernachtsstrand
und seitdem hängt er da,
singt Kumbaja
am Lagerfeuer...
.... und ich löste mich auf,
wurde leer und bloß
und verstand:
mein Gott, ich bin der Fluss,
nicht das Floß...."
Die Nacht auf dem Parkpatz war super und hat noch nicht mal was gekostet: ha - da gönne ich mir doch gleich einen Espresso in Zadar (für 80 Cent). Um 8 bin ich schon auf der anderen Seite der
Marina und bummle ein wenig durch das nette Städtchen, das für meine Begriffe viel zu sehr auf den Hunger und vor allem Durst der Touristen gepolt ist. Glücklicherweise treffe ich doch noch auf
die Realität der Einwohner, den Markt: Fischhalle, Obstmarkt, Stände mit Häkeldeckchen... sehr schön anzusehen, aber wegen meiner Koch-Unlust begnüge ich mich trotz des Riesenangebotes mit nur
einem Kilo Kirschen.
Null Plan für heut und so cruise ich total entspannt an der Küstenstrasse entlang, höre laute Musik und lege eine Fährte mit den Kirschkernen, die ich aus dem offenen Fenster spucke. Es ist
wahnsinnig heiss, selbst die Kroaten stöhnen darüber - so ist es nur vernünftig, im Fahrtwind zu bleiben, nur kurz auf einem Schatten-Bankerl am Meer zu pausieren und mich währenddessen sehr nett
mit einem (alleinreisenden!) Motorradrentner über seine Hippiezeiten zu unterhalten.
Ich fahre und fahre und fahre... Spontan biege ich beim Schild „Krka Nationalpark“ ab und verbringe viel Zeit damit, im sehr großartigen, wilden „Park“ quasi alleine umher zu fahren und den
strategisch günstigsten Stellplatz zu suchen. Gar nicht leicht, weil sehr verwirrend hier alles. Schlussendlich nehme ich den nächstbesten Mini-Campingplatz (ganz ohne Aussicht auf irgendwas und
direkt an der Straße, argh!)... aber immerhin bin ich seit 9 Stunden on the road und will jetzt nur noch duschen...
„Glück ist der Zustand des still lachenden Eins-Seins mit der Welt.“
Hermann Hesse
„...‘cause I need freedom now
and I need to know how
to live my life as it's meant to be...
Irgendwie hab ich dann doch noch mit vielen Fragen rausgefunden, wo der beste Zugang zu den Wasserfällen ist - ich hätt schon fast aufgegeben. Um 9 also auf das Touri-Boots-Taxi aufgesprungen, 20 Minuten über die Krka zum Eingang schippern und mich dann fast 3 Stunden durch den traumhaft, spektakulären, großartigen Park treiben lassen. (Immer auf der Flucht vor den Reisegruppen!)
Die sehr feuchte Hitze und das so üppige Grün geben der Wanderung gleich noch ein wenig Abenteuer-Dschungel-Charakter dazu...
Ich entscheide mich, heute mal „Strecke zu machen“, denn wenn ich weiter an dieser, zugegebenermaßen sehr feinen Küste herumgurke, kann ich mich gleich hier einrentnern und werde in der mir
zugestandenen Zeit kein anderes Land mehr entdecken können. Weil das aber nicht der Plan der Reise ist, biege ich auf die Route zwischen Autobahn und Küstenstraße ein und durchfahre das
Hinterland. So kurve ich sanft schaukelnd durch die Macchia, winke immer wieder den deutlich schnelleren Kroaten um mich zu überholen und komme in sehr meditatives Dahingleiten....
Statt Mittagessen (ich finde einfach kein schönes, lauschiges Plätzchen, das zum Stehenbleiben einlädt) lege ich mit der zweiten Hälfte der Kirschkerne eine weitere Spur meiner Reise und lasse
alle als sehr sehenswert beschriebenen Städte links (bzw. rechts) liegen: die sehe ich mir mal mit noch mehr Zeit an, mich reizen weder Läden, noch Märkte, noch Stadtcafés besonders - und die
Architektur wird auf mich warten. Ausserdem will ich nicht anhalten: Franz schnurrt gerade so schön entspannt!!
Am frühen Abend ist mein Sitzbezug, mein Kleid und mein Fahrkissen total durchgeschwitzt: ich sehne mich nach Wasser. Mit der Idee, vielleicht mal zur Abwechslung in einen Pool zu springen, folge
ich dem großen Hinweisschild zu einem wahrscheinlich großen Campingplatz. Ich checke kurzerhand ein, lasse mir die Platzregeln, das Duscharmband (!) und die Gebühren erklären, dann mich
persönlich zu meinem zugewiesenen Platz begleiten - und flüchte kurzerhand wieder raus. Ganz klares Gefühl: hier will ich auf keinen Fall bleiben! Mein persönlicher Horror! Bevor ich in so nem
Irrsinn Zeit verbringe, fahre ich lieber noch ein gutes Stück und übernachte zur Not wieder auf irgendeiner Marina.
Eine gute Stunde später treffe ich auf einen ganz wunderbaren Platz! Klein, ohne Parzellen, sehr liebevoll angelegt und ruhig. Na also! Nicht der Traum, aber tausendmal besser, als der Irrsinn.
Wieder alles richtig gemacht.
Mein Kopf ist voll, ich bin müd. Trotzdem gehe ich nach duschen, Klamotten waschen und essen noch runter an den Strand und begeistere mich für eine grandiose Bau-Ruine, in der ich lange
herumlaufe und staune.
Und ein kleines Feierabend-Bier geht natürlich auch...
Der sehr nette Campingplatz-Besitzer paudert noch ein bißchen mit mir, als ich seinen wirklich sehr liebevoll angelegten Platz und die super Aussen-Waschräume lobe. Dann kurve ich mit Oldschool
Music seeeehr groovig über die sensationelle Strecke! Nach ca 6 Stunden ruhiger, sehr entspannter Fahrt entlang dieser unbeschreiblich schön-karstigen Felsküste bin ich heute fast satt von
meeresblau-macciagrün-felsgrau-Weitblicken... Ich konnte mich vor lauter Fahrtrausch auch nicht aufraffen, in einem der Städtchen Kaffee-Pause zu machen, so sehr war ich im Meditations-Fahr-Modus
gefangen. Sehr, sehr schön.
Im Vergleich zu den Griechen sind die Kroaten mit Beachbars/ Strandcafés wirklich deutlich hinterher... tragisch! Entweder muss man am (betonierten) Hafen sitzen, oder auf der (betonierten)
Promenade - find ich beides nicht so super. Ich vermisse meine Vormittagsfrappés mit den Füßen im Sand/ Wasser sehr - aaaaber zum Glück entdecke ich dann doch zufällig endlich eine solche
„Kanoba“: Eiskaffee und superschöne Abkühlung im Meer... ha!
Heute stecke ich mich ausnahmsweise mal wieder an der Strom, weil sich über uns gigantische Gewitterwolken auftürmen und ich befürchte, dass mein Abend-Ausflug nach Dubrovnik verschoben werden
und ich den Rest des Tages im Franz verbringen muss: dann will ich wenigstens sorgenfrei Licht machen können. Für etwas anderes brauche ich den Stromanschluss inzwischen nicht mehr... Handy und
Laptop lade ich während des Fahrt über den Zigarettenanzünder, für das bisschen Licht zum Schlafengehen reicht die Batterie und der Kühlschrank hat nun leider (!) endgültig seinen Geist
aufgegeben... Mist. Er lief schon länger nicht mehr auf Gas und auch nicht auf Batterie - und jetzt brummt er wie eine verrückte Hummel, wenn ich ihm Strom gebe. Schon ärgerlich, aber auch kein
Drama. (Muss ich halt von Weiss- auf Rotwein umsteigen...) Es ist eigentlich eh dauernd was kaputt: die Wasserpumpe (die ich vor 2 Jahren neu eingebaut habe) knarrt und tröpfelt nur noch, der
Schalter dazu ist vor ein paar Tagen hinter die Abdeckung gefallen (also aufschrauben, rausfummeln und wieder festkleben), die Dachfenster-Kurbel-Schraube ist ausgenackelt und muss täglich
festgeschraubt werden, das Ausstellfenster geht nicht mehr zuverlässig zu, die Jalousie klemmt, ... ach, der alte Franz... Aber solange er fährt, bremst und dabei die Musik spielt, ist mir eh
alles wurscht!!
Und jetzt regnet es tatsächlich: unter die Markise und die Abkühlung genießen...
Eigentlich ist es trotz des nächtlichen Regens beim Aufwachen schon so heiß, dass ich gar keine Lust mehr verspüre, mich freiwillig in eine Stadt zu begeben - aber wenn ich mich schon für diesen
teuren Platz entschieden habe... Also früh los und um 8.30 kurve ich schon um die Altstadtmauern. Die Idee des Campingplatz-Angestellten, mit dem Bus (ohne Franz!) dort hin zu fahren, kommt für
mich natürlich gar nicht in Frage... Bei der zweiten Runde entscheide ich mich für das Parkhaus mit Münchner Parkpreisen. (Was für ein Vorteil, wenn man 5 Euro/ Std. gewohnt ist: dann kann man
locker 18 Euro Fixpreis für 4 Std. latzen, ohne aus den Latschen zu kippen.) Nur 100 Meter zum Stadttor plus ein gekühltes Auto sind ausserdem unschlagbare Argumente.
Dubrovnik: Horden (!) von Asiaten, die unter Regenschirmen, komplett bekleidet (es gibt sogar Sonnenschutz-Armstulpen!), mit Handschuhen (!) und am Audio-Guide angestöpselt hinter hochgehaltenen
Nummern herlaufen. Und sonst: schmale Gassen, durchgehend bestuhlt, kein einziges Haus ohne Lokal oder Geschäft. Na, das ist nix für mich, ich find's so nervig, dass ich noch nicht mal
fotografiere. Nach einer Stunde beim Kaffee auf der schön schattigen Terrasse des Stadtcafés (Leute betrachten) und einem ebenso kurzen Streifzug durch die Gassen bin ich schweißgebadet und
raus.
Abkühlung und Entspannung auf der Fahrt entlang der Küste. Aber mir ist so heiß, ich bin so schlapp, ich will Pause, einen Frappé oder meinetwegen nur einen Kaffee - und mir fehlt schon wieder
ein gutes Pausenplätzchen. Also ungebremst rüber nach Montenegro. Dort suche ich in der ersten Stadt, Herzeg Novi, einen zentrumsnahen Parkplatz, um mir wenigsten dort eine Erfrischung zu gönnen.
Laut der Anzeige an einer Apotheke ist es fast 40°, superschwül. Ich fange an, etwas genervt zu sein. Kein Schild zeigt die Nähe zum Stadtzentrum an, ich will aber nicht zu weit laufen, also
fahre ich zur vermeintlichen Abkürzung in eine minischmale Straße, die sich nach etwa 500 Metern als Sackgasse entpuppt: ohne Wendemöglichkeit, logisch. Also die ganze Strecke zwischen geparkten
Autos wieder zurück: Millimeter für Millimeter begleitet von zwei neugierigen Augenpaaren „geparkter“ Rentner am Strassenrand.
Die gepriesene Altstadt erweist sich als Miniausgabe Dubrovniks - nur dass Läden und Lokale geschlossen sind. Super. Also den gefundenen Parkplatz doch gleich wieder aufgeben und weiter: ich will
nur noch irgendwo ankommen.... aber ich finde nichts! Das „Autokamp“ (also Wiese ohne was) in der Bucht von Kotor ist total verlassen und versperrt, der („Adac“??)-Campingplatz sieht aus wie ein
Zigeunerlager.... also fahre und fahre ich, viel weiter, als ich eigentlich vorhatte. In Budva folge ich dem Camping-Schild, übersehe ihn aber und lande stattdessen an einem groß angelegten
Strandbar-Areal: super verlockend, hier in der Pool zu springen! Aber um hier zu übernachten fühle ich mich nicht wohl genug - und so fahre ich gleich wieder davon. Ich bin so verschwitzt,
so müd, so bocklos - das erste Mal auf dieser Reise eine Nerv-Attacke!
Da läuft ein Paar in Strandklamotten: puh, die habens aber noch weit, denk ich mir. Als sie den Daumen raus strecken, nehm ich sie selbstverständlich mit - und was ist das für ein glücklicher
Zufall! Die beiden sind so natürlich und nett: wir kommen gleich ins Gespräch und während ich sie zu ihrer Ferienwohnung fahre, checken sie mit ihrer montenegrinischen Freundin, dass ich für
diese Nacht vor deren Haus parken darf. Ich freue mich so!
Selten so unkomplizierte, entspannte und herzliche Leute getroffen, wie diese Neu-Ulmer und deren Freunde, ein deutsch-montenegrinisches Ehepaar. Ich werde umsorgt, darf duschen, werde zum
Abendessen ins Lokal eingeladen, wir lachen und ratschen bis spät - und ich muss keinen Stellplatz mehr suchen: was gibt es Besseres!? Was für ein Tag!
"Deine Verabredung mit dem Leben ist in diesem Moment."
Thich Nat Hanh
Ich weiß nicht, ob ich jemals eine solche Stille während der Nacht um mich hatte? Einfach keinen einzigen Ton!! Wahnsinn. Und entsprechend fein habe ich geschlummert... Gerade, als ich mein Müsli
essen will, ruft mich Vesna an den toll gedeckten Frühstückstisch auf der Terrasse. Ich bin so beglückt von ihrer selbstverständlichen und herzlichen Gastfreundschaft... und genieße das nette
Gespräch und das familiäre Zusammensein. Ich habe wirklich das Gefühl, als kennen wir uns schon ewig.
Spontan kommen Jörg und Hanne auf einen Kaffee vorbei und schlagen mir eine Rundfahrt mit ihrem Cabrio in die Berge vor. Sie sind seit 13 Jahren Dauergast in Montenegro und immer noch voller
Begeisterung über dieses Land, von dem sie mir ein Highlight zeigen möchten. Sehr gerne nehme ich ihr Angebot an und so lasse ich mich mit Wind in den Haaren durch die Gegend, genauer gesagt den
Durmitor Nationalpark, chauffieren. Ich geniesse! Ich sehe und rieche und bin einfach nur voller Freude über diesen Zufall, die beiden getroffen zu haben und dass ich so etwas Tolles wie diese
Gegend sehen darf.
Jörg ist ein super Fahrer und kurvt ganz entspannt über die grandiosen Strassen, durch roh behauene (unheimlich unbeleuchtete) Tunnel, über extrem schmale Pass-Pfade... und mich hauen die
Ausblicke einfach um!! Was für eine unwirklich wilde, ursprüngliche, weite Landschaft. Kaum Häuser, geschweige denn Menschen, nur Luft und Wiesen und Steine, Schafe, Stille... Unglaublich!
(Hierher will ich nochmal!)
Dankbar!
"Mut ist nicht die Abwesenheit von Angst, sondern die Erkenntnis, dass es etwas gibt, das wichtiger ist, als die
Angst."
Ambroise Redmoon
„...und wenn i kurz moi inne hoit,
dann woass i, was i brauch
und was ma foit:
barfuaß grodaus in die Sonna naus,
in die Sonna naus.
Barfuaß grodaus in die Sonna naus!...“
Gestern kamen wir drei Ausflügler von unserer Rundfahrt sehr spät zurück, wir hatten unser Zeitgefühl verloren, zu lange in der Pause geratscht und die Strecke war dann länger als gedacht. Wie
selbstverständlich haben mich Vesna und Rolf übernachten lassen und mir nochmal ein super Frühstück auf der Terrasse kredenzt. Was für Schätze!
Dann breche ich doch wieder auf: mir laufen die Urlaubstage davon und ich will noch Albanien durchfahren. Einige Stunden haben mich die Schwärmereien und traumhaft klingenden Beschreibungen
meiner vier Gastgeber noch in ziemliche Unsicherheit über meine Route gebracht - aber Montenegros Berg-Highlight habe ich sehen dürfen, Küste habe ich insgesamt in Kroatien genug gehabt und die
mich extrem reizende Tara-Schlucht (inklusive Rafting), hatte ich zumindest so ähnlich schon in Slowenien.
Auch wenn es reizvoll klingt und sicher, gemütlich, heimelig und es garantiert schön wäre, mich weiter in Montenegro aufzuhalten... hey: da gabs doch den eigentlichen „Sinn“ dieser Reise: ich
will Neues sehen, Neues erleben!
Also - weiter.
Auf Vesnas und Rolfs Empfehlung fahre ich eine der schönsten Strecken überhaupt: die einspurige Passstraße am riesigen Skutarisee entlang. Das ist genau meins! Während der etwa 3 Stunden Fahrt
kommen mir etwa 8 Autos entgegen, was ziemlich waghalsige Ausweichmanöver bedingt (ich bin froh, dass ich auf der Hangseite fahre!) - und sonst: völlig allein tuckert der Franz mit etwas über
Schrittgeschwindigkeit und grandiosen Aussichten über das extrem bucklige Sträßchen... Genuß und Freude pur!!
Irgendwo im Niemandsland sitzt eine ältere Frau am Straßenrand und winkt mir strahlend lächelnd mit ihrer Weinflasche zu. Warum nicht? Also begleite ich sie (naja, sie zieht mich untergehakt) zu
ihrem Häuschen und probiere mich durch ihre Liköre und Weine... Hoppla! Aber wirklich lecker! Sie redet ohne Unterlass und beschreibt und preist an - ich bin begeistert und kaufe ihr 2 Liköre
(Kirsch? mit Kaffee und möglicherweise Pflaume) und einen superleckeren, tiefroten Wein in Plastikflaschen ab. Der Preis ist ihr wahrscheinlich eine abendliche Party wert - aber 4 Liter bester,
handgemachter Alkohol sind für mich super Geschenke und eine total schöne Erinnerung!
Vor der albanischen Grenze kostet mich die „Schlange“ aus 10 Autos eine schwitzend-heiße Stunde und danach kurve ich bayerisch (!) singend durch Shkodra. Eigentlich muss ich hier gar nicht durch,
aber ich will einfach mal sehen, wie es aussieht. Ich liebe zielloses durch fremde Städte fahren und inmitten des Verkehrs rumkreuzen und gucken. Ein paar Mal höre ich einen lauten
„Deutschland!!“- Brüller... ja, hallo zurück!
Schilder gibt es in dieser Stadt definitiv keine, aber die Sonne leitet mich klar nach Süden. Easy finde ich die richtige Straße, kurz drauf auch den Campingplatz einer holländischen Familie. Und
ich muss so lachen: das „wilde“ und „gefährliche“ Albanien empfängt mich als Erstes mit einem Pool! Aaaaahhh: das hab ich mir gewünscht!
Der Platz-Hahn kräht mich um 5.15 wach, die Köter, die Hennen, der Esel krakeelen im Chor. Sonnenlicht schimmert durch meine Gardine, Tau glitzert auf der Wiese, Kuhdung verfeinert die Luft -
herrliches Aufwachen. Beim Überlegen des Tagesplans merke ich: mein Kopf braucht Pause, denn ich habe das Gefühl, gar nicht mehr hinterher zu kommen mit meinen ganzen Eindrücken, so wild wirbeln
die Bilder im Kopf durcheinander. Heute werde ich sie einfach mal sacken lassen und Ruhe geben.
Nach dem Frühstück lasse ich mir von Berliner Rentnern Insider-Tipps für die weitere Route verraten und komme ganz schön über das Reisen, das Älterwerden, das Leben und dessen Sinn ins ratschen -
bis sie völlig hektisch aufspringen, weil sie ja eigentlich noch weiter wollten.
Ich werfe eine Waschmaschine an, lüfte das Bettzeug, putze und räume den Franz, springe ein paar Mal in der herrlichen Pool, schreibe und arbeite ein bißchen was und verbringe auf dem wunderbar
gepflegten Platz inmitten von holländischen Rentner-Paaren einen fein geborgenen Wellness-Tag - abgerundet vom Gesang des Muezzins bei Sonnenuntergang und dem Glas Rotwein unter eindrucksvollem
Sternenhimmel.
„...what is the purpose of my life if it doesn't have to do with learning to let it go...“
Jack Johnson
„...on bended knee is no way to be free
lifting up an empty cup, I ask silently
that all my destinations will accept the one that's me
so I can breathe...
... wind in my hair I feel part of everywhere....
... leave it to me as I find a way to be
consider me a satellite forever orbiting..."
Plätze zu verlassen, auf denen ich ein solch luxuriöses Leben habe (also viel Raum um mich, keine nervenden Nachbarn, eine gute Dusche und ein geborgenes Gefühl) fällt mir immer schwer. Diesmal
kommt dazu, dass ich noch weniger weiß, was mich auf der Weiterfahrt erwartet, als sonst - ist es wirklich so beängstigend, wie der Balkan und Albanien im Speziellen meist dargestellt wird? Fiese
Straßen, Anfeindungen, übergriffige Bettlerei?
Trotzdem räume ich - nach ausführlicher Poolplantscherei - den Franz wieder auf Reisestatus und mache mich auf den Weg nach Süden. Mein Wohnmobil-Reiseführer beschreibt begeistert alle
Ausgrabungen, Kirchen/ Moscheen und Städte entlang der Strecke und auch die Berliner haben mir eine Menge (Touristen-)Tipps gegeben - aber eigentlich will ich einfach nur sehen, wie die Welt hier
aussieht, wie der Alltag ist, wie die Menschen leben. Darum spare ich mir alle Besonderheiten (und Tourihöllen-Basare) und lasse mich Richtung Süden treiben. Ab und zu nehme ich einen spontanen
Abstecher von der Hauptstrasse und staune: es ist so viel gediegener, gepflegter, üppiger, fast schon spiessig entlang der Straßen. Der Müll liegt größtenteils in den Tonnen, die Häuser stehen
meist farbenfroh in großen Gärten, die Straßen sind in der Regel gut befahrbar (wenn man die vielen tiefen Krater und Bremsschwellen in Bordsteinkanten-Format rechtzeitig entdeckt), geheiratet
wird in klassischem Prinzessin-Kostüm in offenbar dafür errichteten Locations in der Lagune und (was mich am meisten erstaunt!) die Autos sind quasi alle gehobene Mittelklasse. Gibts doch gar
nicht! Vor 5 Jahren röhrten hier fast ausschließlich extrem schäbige „Hausmeister“-Benz (viele mit verwittertem D-Aufkleber) und jetzt? Eindeutig abgelöst von der A-Klasse.
Ich bin also extrem überrascht und sogar ein wenig enttäuscht: Abenteuer ist diese Gegend jedenfalls nicht (mehr). Sicher wäre es im Hinterland spannender, aber dafür fehlt mir diesmal die Zeit,
in ein paar Tagen sollte ich die Fähre erwischen. Ich komme wieder!
Am frühen Nachmittag entscheide ich spontan, auf den Campingplatz zu fahren, an dem ich vor 5 Jahren schon mal war. Er ist mir damals als einer der tollsten Plätze überhaupt in Erinnerung
geblieben: Der Stellplatz unter Schattendächern direkt am Strand mit einer vorgelagerten, künstlichen Insel. Ich finde ihn auf Anhieb (der damals einzige Hinweis, ein mit „Kamp“ beschrifteter
Stein, wurde von immerhin drei Holzschildern abgelöst) und freu mich wie verrückt, als ich den letzten freien Platz in der ersten Reihe bekomme.
Ein Platz direkt am Wasser mit Aussicht hat mir echt gefehlt. Umsomehr genieße ich den Abend still im Sand sitzend...
Und dann gibt es die Plätze, die eigentlich super sind, aber die ich ganz gerne verlasse... Trotz erster Reihe-Glück überwiegt das Gefühl einer schlechten Reihenhaussiedlung:
deutsch-österreichischer Hundebesitzer-Schatzi-Wahnsinn auf allen Seiten. Gräßlich! Also gemütlich alles packen, Wlan noch schnell leersaugen und dann weg.
Ich will eine Weile der „Autobahn“ (=Hauptstraße) folgen, weil ich weiter in den Süden will: erst über die etwas unkonventionelle Auf-/ Abfahrt bzw. Parkplatz und Bushaltestellen-Kombination
(Foto) freuen und dann von der herrlich ausgebauten Stecke in die Landschaft gucken - ein Auge immer auf der Fahrbahn, denn tiefe Löcher und hohe Schwellen (mit höchstens Schrittgeschwindigkeit
zu überfahren!) kommen dauernd daher...
Aber eigentlich war ich heute den ganzen Tag mit Kopfschütteln beschäftigt! Ich habe in meinem ganzen Leben noch NIE so viele bonzige Autos auf einen Haufen gesehen, wie auf der heutigen Strecke.
Nein, auch nicht in München! Die Deutschen und Holländer, mit denen ich mich heute kurz unterhalten habe und ich: wir rätseln!! Alte Mühlen fahren wirklich nur vereinzelt, dann gibt es noch ein
paar (neue) Puntos, Ibizas, Golfs, Sharans, Opel-Kombis - und der Rest: Maserati (!), Landrover, BMW (gerne Cabrios) und (sicher 70%) Mercedes. WOHER kommt bitte die Kohle? Ich kann mir nicht
vorstellen, dass der Honig-/ Gemüseverkäufer mit seinem Strassenstand so viel verdient. Auch nicht einer der Minimarkets/ Minicafés/ Reifenhändler... geschweige denn der Flaschensammler. Aber
entweder sind die Mercedes hier unerkannte China-Billig-Plagiate, oder es gibt Stuttgarter Entwicklungshilfe, oder Sonntags wird von 5 Mitfahren das gesamte Ersparte für einen Leihwagen
zusammengelegt, oder die Montenegrinerin hat Recht, dass unglaubliche Summen ins Land fließen, weil die Mehrheit des amerikanischen Senats albanischer Abstammung ist - oder es gibt für einen
Großteil dieser Bevölkerung Geldquellen, von denen ich nichts (!) wissen will... Irgendwann wurde mir der Strom blanker Nobelkarossen (mit in der Mehrheit 30-jährigen Typen) fast
unheimlich!
Der größte Vorteil von dieser Art der Mobilisierung: der Fahrstil ist (vor lauter Angst ums eigene Vehikel) extrem harmlos geworden... und der Straßenbau wird von der Bevölkerung wahrscheinlich
stark befürwortet (die fahren echt mit Frontspoilern! Die Bremshuckel sind teilweilse ohne Übertreibung 20 cm scharfkantig hoch... und die tiefste Hürde war bisher ein Graben quer über die
(Haupt-)Straße, in dem der Reifen zu 1/3 verschwand).
Um wieder etwas Lebens-Realität zu sehen, "wage" ich einen Abstecher in das Gewühl der unspektulärsten Stadt auf der Route: Fier. Tatsächlich ist es abseits der Hautstraße viel ärmlicher, die
Straße wandelt sich zur sandigen Löcheransammlung und ich gerate wieder in eine Sackgasse. Diesmal geht es zum Glück nur etwa 200 Meter rückwärts, aber die Herausforderung sind diesmal die drei
streunenden Hunde, die weder ausweichen wollten, noch im Rückspiegel sichtbar waren - ich konnte also nur auf Gehör rückwärts fahren...
Dann kommt Vlore, wieder rein in die Stadt und gucken und staunen über den offensichtlichen Wohlstand: (wie gesagt) teure Autos, großteils neue Häuser, gut gekleidete Menschen überall. Die Cafés
sind gut besetzt, ich hätte so gerne für einen Koffein-Schub und eine Pause angehalten - aber nirgends sitzt auch nur eine einzige Frau... Also gespart.
Aber dann: die anschließende Bucht ist gerammelt voll mit schicken (!) Strandbars, teilweise mit Pool. Horden von halbnackten (muskulösen) Männern, halbnackter (eher üppiger) Weiblichkeit und -
natürlich - ganz dicken Autos. Das soll Albanien sein, angeblich eins der ärmsten Länder Europas? Mein Staunen findet gar kein Ende... immerhin gibts hier endlich einen Kaffee für mich. Ich komme
mir mit meinem (zugegebendermaßen etwas ollen) Sommerkleidchen etwas underdressed vor, denn am Nachbartisch flätzen sich junge schicke Frauen im Lounge-Sofa, die sich über ihre Handtaschen
unterhalten und dann über die entfernt Sitzende mit Stirnband lästern... Also, wie überall. Und zahlen kann man selbstverständlich mit Euro (statt der Landeswährung Leke)! Befremdlich, das
alles.
Direkt im Anschluß ans mondäne Strandleben folgt der LLagora-Pass, erst kürzlich geteert. Ich hätte nicht gedacht, dass er so steil ist, immerhin ist das die einzige Verbindungsstraße nach Süden
weit und breit. Am Straßenrand stehen entweder Honighändler, oder rauchende Besitzer rauchender Kühler oder kotzende Menschen - denn kurvig ist gar kein Ausdruck!
Tja, aber der Franz... auch wenn die Temperaturanzeige deutlich im höheren Bereich schwingt: mein nagelneuer Kühler (Danke Reinhard, nochmal!) lässt mich völlig sorgenfrei aufwärts schleichen
(ich würde sagen etwa 15 - 20%ige Steigung)! Trotzdem kriegt Franz ganz oben natürlich eine schöne Pause (mit Aussicht) und bergab geht es ganz langsam mit Motorbremse.
Ich bin jetzt über 6 Stunden gefahren, ich hatte kein Mittagessen, ich hab genug gesehen und mich genug gewundert, ich bin völlig durchgeschwitzt - und ich finde (kurz vorm Nervanfall) einen
tollen Platz! Dieser ist ganz nach meinem Gusto: Begrüßung per Handschlag, erste Reihe mit Blick aufs Meer, 7 Euro die Nacht, tolle Dusche im Holzverschlag und zur Begrüßung bekomme ich einen
Sack Kartoffeln aus dem Gemüsegarten...
Also gibt es zum Abendessen: kroatische Zwiebel, montenegrinische Tomate, geschenkte Kartoffeln und die geschenkte Zucchini von der Gemüseverkäuferin (der ich gestern am Strand Obst abgekauft
habe) - garniert mit griechischem (importierten) Schafskäse in italienischem Olivenöl. Hmmmm...
Das einzig Aufregende (ausser Ausgrabungsstätten), das etwa an meiner Route liegt, ist eine sagenhafte Quelle - Wasser find ich immer gut, also hin.
Und tatsächlich ist jetzt, abseits allen Sonntagsverkehrs, aller Großstädte und Touristen-Hotspots sehr viel weniger Bonzenverkehr und auch die Städtchen sind deutlich weniger protzig...
Aber die Menschen bleiben unvorstellbar ... (ich weiß gar nicht, wie ich es sagen soll)... herzlich? freudig? aufgeschlossen? beglückt? ... Oft wird mir zugewunken (beim ersten Mal bin ich stehen
gebblieben, weil ich dachte, der Alte will mitgenommen werden...), immer zugelächelt und an der Tankstelle bekomme ich zur Begrüßung einen Händedruck (!) und einen Espresso mit Familienanschluss
unter dem Fernseher mit italienischer Soap... Ich freue mich darüber!
Die tolle Quelle erweist sich als ganz schön, aber unspektakulär, jedenfalls den weiten Umweg (plus die 4 km extrem schlechte Schneckentempo-Durchschüttel-Schotterpiste) nicht wert. Ja mei. Schon
dauergähnend und hart an der Grenze zur Fahr-Unlust wieder zurück auf die Hauptstraße, Platz suchen und (zum Glück!!) einen duften finden. Duschen, waschen, kochen, Schläferchen und dann
(natürlich!) mit feinem Wein dem feinen Sonnenuntergang zusehen (und dabei sehr coolen, französischen Rap von der Bar gegenüber hören)... Ach, so gut gehts mir...
Kurzer Ratsch mit den Nachbarn und dann gemütlich losfahren - dachte ich so einfach, aber als ich das Auto anlassen will: null Reaktion. Ach, Franz.... Alter Sack! Ich bleibe erstmal cool, bevor
ich mich aufrege. Vielleicht braucht er ja nur ein bisserl Zeit... Erst schööön Zuspruch: hilft nicht. Dann auf die Kühlerhaube boxen: hilft nicht. Dann am ganzen Auto bei eingelegtem Gang feste
ruckeln: hilft! --- Zufall! Hat sicher keine therapeutische Wirkung, aber is mir ja egal: er läuft wieder wie ein Glöckerl... Er ist halt einfach 20, da sind die besten Anspringjahre
vorbei...
Hätte ich eine Woche mehr Zeit, würde ich mir super gerne noch das Hinterland ansehen, denn der bisherige Eindruck Albaniens kann ja nicht der ganzen Wahrheit entsprechen... aber so steuere ich
über die kleinst mögliche Straße (die Albaniens Straßenpflege nochmal von ihhrer schlechtesten Seite zeigt) die kleine Grenze an. Eine Seilfähre (Toll, die mal in echt zu sehen - der Begriff
bezeichnet beim Kajakfahren die entspannte Weise, den Fluss zu kreuzen...) zieht mich und Franz etwa 50 Meter über einen Kanal. An „Deck“ lasse ich mir von den albanischen Jungs begeistert die
Spieler vom FC Bayern aufzählen - wobei Manuel Neuer die meisten Sympathiepunkte hat.
Mein Fazit von Albanien (also zumindest der Küstenregion): Kein wirklich großes Abenteuer, aber eine Top-Reiseempfehlung für alle, die ein neues Land erleben wollen. Der Aufbruch ist wirklich
überall spürbar, auch wenn viele (noch nicht fertige oder schon wieder aufgegebene) Bau-Ruinen rumstehen, die (quasi neuen) Straßen schon wieder kaputt und die alten fast unfahrbar sind und die
großen Werbetafeln von Nescafé offensichtlich schon zu lange in der Sonne stehen. Die Menschen, denen ich begegnet bin, reichen von augenscheinlich sehr arm (angeblich alles Roma), über viele,
viele Kleinhändler, Caféhocker, Bauarbeiter, Traktorfahrer..., sehr gepflegte (gestylte!) Supermarktbesitzerinnen und natürlich den fies-geldigen Youngster. Ich bin überall mit Englisch und Euro
durchgekommen, habe sehr viel Lächeln (und Obst und Raki und Espresso...) geschenkt bekommen und hatte nirgends (!) ein Gefühl der Unsicherheit/ Gefahr. Also: hin, wer will!
Der albanische Grenzer macht mir einen Heiratsantrag, der griechische kann nicht glauben, dass ich alleine bin und fragt dreimal nach (vielleicht ob ich jemanden nach Griechenland schmuggeln
will?) und gerade, als ich (hupend!) "mein" Griechenland begrüße, sehe ich in der Bucht unter mir einen Camper parken. Da will ich hin!
Und so verbringe ich einen ganz wunderbar faulen, entspannten Lazyday mit 4 anderen Wohnmobilen in dieser Bucht. Abends das obligatorische Glas Wein im Sonnenuntergang, danach kann ich endlich
mal ein Lagerfeuerchen machen und herrlich still werden....
„Wer nach aussen schaut, träumt. Wer nach innen schaut, erwacht.“
Carl Gustav Jung
Wie jeden Tag wache ich früh auf, sehe aus dem Fenster und freue mich! Was für eine Idylle....: die Sonne lauert noch hinter dem Berg, alle anderen 9 Menschen hier in der Bucht schlafen noch und
ich trinke meinen Kaffee in absoluter Ruhe am ruhenden Wasser.
Neugierig frage ich später den Franzosen, was er in dem großen Sack aus dem Meer mitbringt: Seeigel. Er bekommt leuchtende Augen, als er mir vorschwärmt: in Frankreich gelten sie als seltene
Delikatesse, sind superteuer und schmecken très, très bon, wie Kaviar! Er zeigt mir, wie schön sie sind, wie man sie öffnet und rauslöffelt.... uuuuh. OK, schmeckt, als würde man ein
durchgeweichtes Meerwasser-Essenz-Gummibärchen essen. Interessant, aber Merci, mehr braucht‘s wirklich nicht... Non, Non...
Und noch einen Tag bleibe ich in diesem kleinen, übersichtlichen Idyll... einfach nur mal wieder alle Eindrücke und die Gedanken sortieren. Wenn ich an kürzliche Begebenheiten denke, dann habe
ich das Gefühl, als seien inzwischen Monate und nicht nur Tage vergangen...
Ich bin ganz für mich, schicke nur ab und zu ein freundliches Lächeln zu den anderen, nachmittags bitte ich die griechische Familie um die Aufladung meines Laptops an ihrem Solarpanel und die
restliche Zeit verbringe ich absolut schweigend - und meine Stille absolut genießend.
Am späten Abend bricht dann Hektik aus: einer der Camper hat einen möglicherweise schweren Sturm im Wetterbericht gesehen und warnt nun alle radebrechend über die Gefahr, bei starkem Regen nicht
mehr aus der Bucht zu kommen... Ich sehe mir den Boden an: Kies, fest. Die Auffahrt zur Strasse ist betoniert, Franz ist relativ leicht... ich bleibe stehen, räume alles zusammen, mache Franz
regendicht und, als der Wind tatsächlich schlagartig stark auffrischt, setze ich mich mit meinem albanischen Rotwein direkt ans Wasser und betrachte in meine Picknickdecke gehüllt ewig den Sturm,
die Sonne, die Wolken, das Meer. So schön!
Als es dunkel ist, ziehe ich mich in mein Nest zurück, ausgestattet mit einem Pappbecher voll großartigem, selbstgemachtem Limoncello und Eiswürfeln (!) vom Franzosen. Hmmmm...
„Auf dem Pfad zur inneren Ruhe liegen viele weggeworfene Äußerlichkeiten“
Ernst Ferstl
Der nächtliche Sturm war eher ein heftigeres Lüftchen und das Gewitter dann nur weit hinten über Corfu zu sehen: eine unspektakuläre, ruhige Nacht also und am frühen Morgen kann ich mich schon
wieder in die Sonne ans Meer setzen.
Der Abschied von diesem Platz fällt mir tatsächlich am schwersten von allen auf dieser Reise, denn er ist - trotz fehlendem Luxus wie Strom, Wlan, Dusche - perfekt für mich und mein
Urlaubsgefühl. Ich fühle mich hier extrem geborgen (durch gleichgesinnte Nachbarn, die einander sehen, aber in Ruhe lassen) und bin trotzdem super frei.
Aber... ich verabschiede mich trotzdem, denn ich habe die Idee, mir doch noch kurz die Berge anzusehen und auf einem der tollen Bäche dort oben eine Rafting-Tour zu machen. Und sobald ich im
Franz sitze und die Musik aufdrehe, freue ich mich über das Neue, das es heute zu sehen geben wird - es muss ja schon so bald Richtung Heimat gehen, dann möchte ich die letzten Eindrücke noch mit
aller Kraft einsaugen.
Sonst war ja Ancona mein Zielhafen, aber mit meiner Abneigung gegen diesen Teil Italiens möchte ich mir den Streckenabschnitt gerne sparen und mich diesmal in Venedig absetzen lassen. In den
letzten netzfreien Tagen konnte ich die (wenigen) Abfahrtstage nicht recherchieren - dann frage ich halt mal oldschoolmäßig vor Ort nach... In Igoumenitsa erkämpfe ich mir mit sehr unverschämtem
Fahrmanöver und passendem Grinsen einen Spitzenparkplatz, kaufe das perfekte Ticket für die Fähre am Samstag Früh und gönne mir ENDLICH (!) meinen Morgenfrappé im Straßencafé. Ich sitze und
gucke: alle so relaxed, gut gelaunt bummeln sie durch die Fußgängerzone, jeder kennt offenbar jeden und nach der völligen Frauen-Abwesenheit in Montenegros und Albaniens Straßenbild sehe ich
endlich wieder schöne, toll gepflegte Damen und Teenies ... extrem entspannt, die ganze Atmosphäre. Gefällt mir gut, ich fühle mich so wohl, dass ich mir nach dem Kaffee auch noch ein Gyros in
der nächsten Eckkneipe gönne.
Auf Lefkas niedergelassene Deutsche, die ich in Albanien traf, erzählten mir, dass die Anfeindungen gegenüber den Deutschen teilweise sehr deutlich geworden sind. In dieser Woche sollte ja eine
wichtige Entscheidung fallen, wie es mit Griechenland in der EU weitergeht - und ich habe natürlich keine Ahnung... Bißchen peinlich, aber so naiv kann ich allen weiterhin wenigstens ganz
unvoreingenommen und sehr freundlich begegnen.
Nach dem Stadtbummel erklimme ich laut beschallt mit Franz wieder eine recht steile, aber überraschend toll ausgebaute Strecke, die über wunderschöne Fernsichten nach Ioannina führt. Das in den
Gipfeln hängende Gewitter wirkt - in Kombination mit der völligen Abwesenheit von Menschen - ein wenig unheimlich... aber egal.
In der Stadt finde ich auf Anhieb den Campingplatz am See und im anrückenden Gewittersturm bringe ich mich und Franz nach unserer Verlotterung der letzten Tage wieder auf relativ sauberen
„Original“-Zustand: tut auch wieder gut!
"Gesetzt, wir sagen Ja zu einem einzigen Augenblick, so haben wir damit nicht nur zu uns selbst, sondern zu allem Dasein Ja gesagt."
Friedrich Nietzsche
"... und gestern is heit worn
und heit is bald morgn..."
Obwohl ich gestern drei Mails mit der Treffpunktfrage an die Rafting-Base geschrieben hatte, habe ich in der Früh immer noch keine Antwort. Sehr schade - ich bin echt enttäuscht, denn ich hatte
mich wirklich darauf gefreut. Aber mei. Dann halt eine Planänderung, es fällt mir ja nicht schwer, mich anders zu beschäftigen... die gestrige Bergstraße hat den Umweg ja eh belohnt und das
Frühstück im Sonnenlicht am See ist auch eine Freude.
In „grundgesäubertem“ Zustand werfe ich mich also in das Altstadt-Getümmel von Ioannina, um mir erstmal einen Morgen-Frappé zu suchen und stolpere dabei über alte Steine: die tolle
Festungsanlage, ein superinteressantes Museum mit uralter, echt beeindruckender Moschee und das spannende dörfliche Häusergebilde begeistern mich und lassen mich spät an der Seepromenade zum
Kaffee einkehren. Hier wimmelt es inzwischen von Menschen - einige sehr festlich gekleidete Familien-Gruppen feiern offensichtlich den Studienabschluß ihrer Brut. Ich fühle mich schon wieder so
wohl inmitten der laut schnatternden Menge, dass ich lange sitzen bleibe. Immerhin „muss“ ich ja auch die zum Frappé gereichten Kekse mit Schokocreme genießen!
Die in meinem Plan als im Bau eingezeichnete Autobahn nach Igoumenitsa gibt es wohl inzwischen (auch wenn kein einziges Schild dorthin führt), dann nehme ich diese statt der gestrigen Bergstraße
zurück: zweimal die selbe Strecke mag ich nicht fahren... Irgendwo ist irgendeine Ausgrabung ausgeschildert - nachdem ich bisher alle anderen umfahren habe, nehm ich diese alten Steine heut auch
noch mit. Unvorstellbar (!), wieviele Menschen sich hier schon vor hunderten (tausenden!) von Jahren in dieser Einöde getroffen haben, um zusammen zu feiern, zu jubeln, zu leben, Zeus zu ehren...
ein gutes Gefühl!
Die Autobahn ist schick, aber sehr fad mit ihrer glatten Asphalt-Decke. Langweiliges Fahren, nervt. In Igoumenitsa steuere ich an den langweiligen Sand-Strand und mache es mir abseits vom dicht
bestuhlten Abschnitt so gemütlich es geht. Ziemlich angeödet sitze ich im Sand und fange gedankenlos an, zu buddeln und zu formen - fast drei Stunden später realisiere ich, wie wunderbar vertieft
und frei von allen Gedanken ich irgendwelche Gebilde im Sand gebaut habe. Herrlich! Ich freue mich sehr, dass ich die Kurve zur Langeweile kratzen und die mir aus den Fingern rinnende Zeit zur
totalen Tiefenentspannung, totalem „im Jetzt sein“ umwandeln konnte.
Als die meisten Strandbesucher aufgebrochen sind, stelle ich mich mit Franz noch weiter abseits zu einigen anderen Wohnmobilen, die offenbar auch übernachten wollen. Kurzes Abendessen in Franz
offener Tür, einen Stuhl baue ich gar nicht auf: hier zu stehen ist nicht wirklich legal (wenn man dem großen "No Camping"-Schild glauben mag), deswegen mache ich mich ganz klein. Der gemütliche
Rotwein mit den Füßen im warmen Sand am menschenleeren Strand: sehr schön - auch wenn mich die Tatsache des letzten Abends am Meer etwas wehmütig stimmt...
Eine schlechte, kurze Nacht. Inmitten von Mücken träume ich im Halbschlaf, dass mich die Flöhe der streundenden (und sich dauer-kratzenden) Hunde angefallen haben und ich verbringe die Nacht mit
kratzen...
Um 4 klingelt der Wecker und ich fahre langsam an den übriggebliebenden Partymeilen-Besuchern zum Fährhafen - nur kurz aufgehalten vom Wahnsinnsduft der Bäckerei auf der anderen Straßenseite.
Einreihen, einchecken, einrichten und dann die sich entfernende Küste mit einem Frappé in der aufgehenden Morgensonne betrachten. Ich sitze auf „meinem“ Platz am Pool, den ich im dritten Jahr auf
genau diesem Schiff für mich in Anspruch nehme und merke, wie sich mein Reisen langsam ritualisiert - gefährlich! Das will ich eigentlich nicht... trotzdem ist dieser Platz und diese Aussicht
sehr fein, um sich mit dem Rücken zur Fahrtrichtung nochmal sehr über die vergangenen Tage zu freuen.
Camping on board heißt, dass ich jederzeit zu Franz darf, weil dies meine "Kabine" ist. Das genieße ich sehr und lege mich erstmal für ein Stündchen aufs Ohr. Den Rest des Tages verbringe ich die
Zeit verbummelnd mit tippen, lesen, spazierengehen und ewiglang auf diesen tollen Horizont zu blicken. Ich liebe diese Weite so sehr, ich kann gar nicht satt davon werden!
Nach dem Mythos-Bier-Genuss (OK, es waren drei - aber so lecker!) ganz oben, ganz alleine, ganz im Windschatten und nach intensivem Horizont-Starren (bis die Dunkelheit gewonnen hat), treffe ich
meine Nachbarn am Deck-Fenster und bleibe bei einem lustigen Gespräch bis fast 1 Uhr zwischen unseren Campern hängen... Ui, das wird nen kurzer Schlaf!
Trotz des laut durchscheppernden Kühlaggregats des LKWs neben mir und der obligatorischen Alarmanlagen-Kakophonie schlafe ich grandios gut. Der Wecker klingelt allerdings schon wieder um 5, weil
ich noch was vom Meer und dem Sonnenaufgang sehe möchte. Also ohne Frühstück rauf an Deck, das erste Mal seit langem wieder „ordentlich“ angezogen (also etwas mehr als das Flatterkleidchen) und
mich innerlich vom Sommer, dem Meer und der Reise insgesamt verabschieden. Es fällt mir echt schwer!
Um 8 sind wir endlich von Board und ich stehe kurz darauf vor dem Campingplatz: quasi neben dem Fähranleger, Blick auf Venedig und mit direkter Boots-Verbindung dorthin... eigentlich perfekt.
Aber die aus Bussen strömende, hinter hochgehaltenen Armen hinterhertrabende, schnatternd-dichte Menschenmasse... Mich schaudert es bei der Vorstellung, mich mit diesen Horden durch die Stadt
treiben zu lassen - und die Idee, den Tag mit ihnen in Venedig zu verbringen, stirbt sofort. Ich drehe zackig um und setze mich erstmal ins erstbeste Straßencafé, das sich als mein
Frühstückstraum entpuppt: lauter kleine salzige und süße Häppchen für je 90 Cent und der Cappucho für 1,30. Herrlich! Die Sonne wärmt mich, ich breite meine (völlig zerissene, alte) Karte aus und
lausche: die immer anwesenden, krakeelenden Männer, die an schöne Irlaube erinnernde Geräusche der Kaffeemaschine und das typischen Klappern der Kaffeetassen... Ich liebe italienische Cafés!! Ich
sitze und gucke auf meinen Plan - und entscheide: wenn ich die letzten Wochen immer gen Süden gefahren bin, orientiere ich mich ab jetzt einfach straight gen Norden - quer durch die Berge.
Ein Stück herrlicher Autobahn läßt den Franz in lange vergessenen Geschindigkeitsrausch geraten und ich finde mich genußvoll cruisend in traumhafter Bergkulisse wieder. Ein kleines Schläfchen auf
irgendeinem Wanderparkplatz, ein kurzer Bummel durch Cortina, eine superschöne Kirche besichtigen, eine Kuh streicheln, einen Minikaffee auf einer Terrasse am See trinken... schön!! Und: ganz
plötzlich reden wieder alle Deutsch - und die Preise verdoppeln sich! Welcome back, auch wenn es erst Südtirol ist.
Allerdings: wenn ich mir Sorgen um ein Land machen wollte, dann wäre es hier oben! Während Griechenland schon immer etwas leger mit seinen Gebäuden umging, Kroatien m.E. einfach kein großes
Architekturbewusstsein hat und Montenegro/ Albanien insgesamt im sichtbaren Aufbruch sind... hier ist alles am verfallen/ aufgegeben/ zu verkaufen.... Beängstigend, finde ich!
Ich "stolpere" über einen wirklich sehr netten Campingplatz am Toblacher See, mitten drin in den Dolomiten. Parzellierte Plätze, geschlossene Schranken, eine Plastikkarte für die Waschräume, WiFi
kostet halbstündlich, es gibt Bürozeiten, Fahrverbotszeiten und ein Wäscheleinenaufhängverbot - egal. Ich parke Franz und gehe fast 2 Stunden um diesen supersuperzauberhaften See spazieren,
genieße die echt ersehnte (extrem saubere!) Dusche, hole mir ein kühles Südtiroler Bier im Weißbierglas - für 5 (!) Euro!!! - zu meinem Abendritual und friere mich zitternd und zufrieden durch
den Abend.
"Der Sinn des Lebens liegt nicht darin, dass wir ihn finden, sondern dass wir ihn immer wieder suchen."
Ernst Ferstl
Superspontan habe ich gestern Abend noch einen Platz auf einem Rafting-Boot bekommen... Beim Aufstehen sind es nur 9 Grad im Bus, leise packe ich ein und schleiche um 8 vom Platz, um nach Sand in
Taufers zu sausen.
Ich freue mich so! Zu viert führt uns der sehr nette Raft-Guide Fridl easy die Ahr hinab: nix spektakuläres, aber lustig und wunderschön. Wasser ist einfach meins! Und zur Krönung bekomme ich
noch ein Reise-Highlight geschenkt: wir klettern ein paar Meter aufwärts, rein in den Wildbach und hin zu einem traumhaften (!!!) versteckten Wasserfall. Wer sich traut, darf sich unter/ hinter
dem prasselnden, lauten und windigen Wasservorhang hindurch tasten: was für ein Erlebnis. Das ist Leben!!
Nach der Tour entscheide ich: jetzt ist gut - bzw.: jetzt muss genug sein, sonst höre ich überhaupt nicht mehr auf! Also steuere ich auf relativ direktem Weg heim, diesmal über den Brenner (weil
ich die Tauernautobahn ja schon für die südliche Richtung benutzt habe). Nach Innsbruck kann ich mir einen kurzen Abstecher über den fies-steilen Zirler Berg nach Mittenwald nicht verkneifen und
parke auf dem offiziellen Stellplatz am Bahnhof.
Es regnet und ist eiskalt: genauso hat doch die Tour begonnen? Ich habe das Gefühl, als sei ich nicht wirklich weg gewesen? In meinem Kopf Millionen von Eindrücken, im Herzen pures Glück und im
Bauch Traurigkeit, dass es vorbei ist. Ich zelebriere wehmütig meine letzte Nacht im Franz, bringe ihn in der Früh wieder auf Vordermann (reisefertig für die nächste Tour!) und sause die letzten
Kilometer Richtung Norden...
Und dann vor der Haustüre: eine riesige Lache Kühlerflüssigkeit. Ach Franz: DANKE, dass Du damit bis zu Hause gewartet hast!!
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Und sehr viele Tipps aus dem Buch zum Reisen mit dem Wohnmobil, gepaart mit meinen persönlichen Lieblingscampingplätzen habe ich auf meiner Webseite zusammengestellt:
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